Die Spitalvorlage sieht die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den Regionen in einer tragenden Rolle. Der Toggenburger Ärzteverein will diese Rolle seriös wahrnehmen. Ohne den Erhalt eines stationären Angebots an Innerer Medizin und Altersmedizin am Spital Wattwil sieht er sich jedoch ausserstande, die Verantwortung für die medizinische Versorgung im Toggenburg mitzutragen. Dem Toggenburg droht als einziger Region im Kanton eine akute Hausarzt-Lücke bei gleichzeitiger Schliessung des Spitals.

Der Toggenburger Ärzteverein (TÄV), einer der sechs Regionalvereine der Ärztegesellschaft des Kantons St.Gallen, hat sich in einem Schreiben mit drastischen Worten an die Mitglieder der vorberatenden Spitalkommission und an die Fraktionsvorsitzenden des Kantonsrates gewandt. Darin «ersucht» er sie «dringend»: «Geben Sie uns eine Chance und sorgen Sie für den Erhalt des stationären Angebots an Innerer Medizin und Altersmedizin am Spitalstandort Wattwil – mindestens so, wie es nach dem bereits erfolgten Abzug der weiteren Disziplinen verblieben ist.»

Nur mit stationärem medizinischem Angebot möglich

Die Spitalvorlage sieht die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den Regionen in einer tragenden Rolle. «Der TÄV will diese Rolle gerne aktiv übernehmen», erklärt TÄV-Präsident Dr. med. Uwe Hauswirth. «Aber damit er die Verantwortung mittragen kann, sind erfüllbare Rahmenbedingungen nötig.» Der TÄV arbeitet unter dem Aspekt «aus der Region für die Region» an Modellen, um die Notfall- und Erstversorgung in der Region langfristig seriös zu sichern. «Auch Erfahrungen in der Spitex zeigen, wie wichtig und dringlich die medizinische Unterstützung ist. Für die Sicherung der Versorgung ist eine Voraussetzung unabdingbar, das zeigen die Resultate unseres bisherigen Prozesses wie auch vergleichbare Beispiele klar und deutlich.» Der TÄV hat deshalb in seinem Schreiben festgehalten: «Ohne den Erhalt eines stationären Angebots an Innerer Medizin und Altersmedizin am Spital Wattwil sieht sich der TÄV ausserstande, die Verantwortung für die medizinische Versorgung im Toggenburg mitzutragen.»

Es droht medizinischer Versorgungsnotstand

Gerade die Strategie zur Bekämpfung einer allfälligen Covid-19-Pandemie-Welle zeigt: Es wäre fahrlässig, ganz auf eine funktionierende Spitalinfrastruktur in den Regionen zu verzichten. Für den Toggenburger Ärzteverein ist klar: «Mit ‹4plus5› und der damit verbundenen Schliessung unseres Regionalspitals droht im Toggenburg – anders als in allen anderen Regionen im Kanton – ein medizinischer Versorgungsnotstand.» Uwe Hauswirth erklärt: «Bei uns verstärken sich gleich mehrere Rahmenbedingungen gegenseitig, wie das in keiner anderen Region des Kantons der Fall ist.» Erstens hat das Toggenburg als einzige Region keine schnelle Hauptverkehrsverbindung, betont er: «Hier bei uns ist die Reichweite in 30 Minuten nicht dieselbe wie im übrigen Kanton via Autobahn. Wir kommen in dieser Zeit 30 km weit – nicht 50 km und mehr. Ohne Spital Wattwil wäre die Region mehrheitlich von der Spitalversorgung abgehängt.»

Akute Hausarzt-Lücke

Zudem droht dem Toggenburg als einziger Region im Kanton eine akute Hausarzt-Lücke, befürchtet Uwe Hauswirth: «Es ist bereits absehbar, dass bei uns 2029 nur noch 10 Hausärztinnen und -ärzte unter 65 Jahren tätig sind. Nur dank enger Zusammenarbeit mit dem Spital können sie die Grund- und Notfallversorgung für Bevölkerung, Arbeitnehmende und Tourismus noch sichern.» Laut Prognose der KPMG im Bericht «Alternative Vorschläge» vom September 2019 zu Handen der Regierung bräuchte es im Toggenburg 2028 53 Hausärztinnen und -ärzte. «Das Spital ist nicht nur für die erfolgreiche Ansiedelung von Ärztinnen und Ärzten unabdingbar», erklärt Uwe Hauswirth. «Ohne Spital ginge auch das Fundament der engen Zusammenarbeit in der erweiterten Grundversorgung verloren. Bei einem kumulierten Ausfall der Leistungserbringer, also ohne Spital und mit derart wenig Hausärztinnen und -ärzten, liesse sich die Grund- und Notfallversorgung nicht mehr sicherstellen – geschweige denn die Versorgungsqualität gewährleisten.»

Pflege ohne Medizin ist nicht bedarfsgerecht

Mit Blick auf die Idee eines Kompetenzzentrums für «Spezialpflege» statt des Spitals Wattwil winkt Uwe Hauswirth ab: «Pflege ist keine Medizin, und Pflege ohne Medizin reicht nicht, um die medizinische Gesundheitsversorgung im Toggenburg zu ersetzen oder zu sichern.» Für ein zusätzliches Pflegeangebot besteht auf der Basis der einschlägigen Richtwerte auch längerfristig kein Bedarf, und im Bereich der Spezial- oder Sonderpflege sind Bedarf und Bedingungen unklar, betont er: «Ein zusätzliches Pflegeangebot dürfte zu Überkapazitäten in heute gesunden Strukturen führen und die kommunalen Heime der Region konkurrenzieren.» Abgesehen davon, ist für den TÄV klar: «Isolierte geriatrische oder spezialisierte Rehabilitation ohne Nähe zu akutmedizinischer Diagnostik und internistischer Behandlung ist nicht realistisch.»

Brief Toggenburger Ärzteverein (TÄV) an die Präsidentinnen und Präsidenten der Fraktionen und die Mitlgieder der Spitalkommission des Kantonsrats (PDF)

 

 

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